Dampfschiff „Børøysund“ – Vom Original zum Modellbaubogen

D/S „Børøysund“ – Ein norwegisches Museumsschiff als Kartonmodell

Boroysund Original 1

Man fragt sich ja mitunter, wie kommen die Konstrukteure/Verlage bloß auf die Idee, ausgerechnet das Modell „xy“ auf den Markt zu bringen. Im Falle des Modells der „Børøysund“ hatten weder Konstrukteur noch Verlag „Schuld“, hier wurde die Idee eines Modellbauers aufgegriffen. Und eigentlich hat das Projekt eine ganz beachtliche Vorlaufzeit…

Wie Fiete berichtet, fand im Jahre 1988 in Kopenhagen ein North Steam 88 genanntes Dampfertreffen statt, zu dem auch die „Stettin“ eingeladen war, auf der er damals als Heizer fuhr. Eines der weiteren teilnehmenden Schiffe war die „Børøysund“. Zwar hatte er diesen kleinen Küstenfrachter schon das eine oder andere Mal bei seinen zahlreichen Norwegenurlauben in Oslo gesehen, aber ein Schiff in Betrieb zu erleben, ist natürlich ein ganz anderer Schnack. Wenn ich ihn richtig verstehe, war es Liebe auf den ersten Blick! Der Kontakt zu der Crew war dank seiner Sprachkenntnisse kein Problem. Im Laufe der Zeit hat es immer wieder Begegnungen mit diesem kleinen Frachter gegeben, sei es auf dem Dampf-Rundum in Flensburg oder bei Besuchen in Norwegen.

Wenn zu den Freizeitbeschäftigungen auch der Kartonmodellbau gehört, liegt es irgendwie nahe, dass einem der Gedanke kommt, so ein Schiffchen müsste es auch in kartonaler Version geben, zumal es schon in den 90er Jahren den einen oder anderen Dampf-Veteranen als Kartonmodell gab; „Stettin“ oder „Bussard“, damals noch vom Möwe-Verlag, und die „Schaarhörn“ waren ja schon auf dem Markt. Diese Überlegungen stellte auch Fiete an, aber hören wir ihn selbst:

„Über meine Kontakte zum Norsk Veteranskibsklub (NVSK) waren Pläne relativ schnell organisiert, aber wer macht die Konstruktion? Und für welchen Verlag? Nun, zum Konstrukteur bin ich definitiv nicht geeignet und als Verlag kommt natürlich nur einer in Frage, der die Bögen auch im guten alten Offset-Verfahren drucken lässt.

Als Andreas Jacobsen begann, die RUNGHOLT von Peter Brandt zu überarbeiten, wusste ich, wen ich ansprechen müsste. Also machte ich ihm den Vorschlag sich doch mal an eine eigene Konstruktion zu wagen. Nach einer kurzen Weile Funkstille kam von ihm: ‚Dann machst du aber den Kontrollbau!‘ Na gut…“

Im September 2014 war der Bogen so weit gediehen, dass man an einen ersten Probebau des Rumpfes denken konnte. Dabei handelte es sich noch nicht um einen Kontrollbau im eigentlichen Sinne, sondern nur um das Ausprobieren, ob das Modell so umsetzbar sein würde.

Was verbirgt sich aber nun hinter dem Namen „Børøysund“?

Boroysund Original 2

Die „Børøysund“ wurde im Jahre 1908 unter dem Namen „Odin“ von der Werft Trondhjems Mekaniske Værksted als kombiniertes Schlepp- und Passagierschiff gebaut. Eigner war die Trondhjæms Lægtercompani, der Heimathafen Trondheim. Auf der Schiffsglocke ist übrigens auch heute noch der ursprüngliche Name eingraviert. In seinen ersten Lebensjahren war das Schiff also im Bereich des Trondheimfjordes unterwegs.

Im Jahre 1923 wurde die „Odin“ nach Bergen an die Reederei Hjelma & Herdla verkauft, die das Schiff unter dem Namen „Skjergar“ in der Region rund um Bergen einsetzte. Allerdings stellte es sich heraus, dass das Schiff für das enge Schärenfahrwasser dort doch eine Nummer zu groß war; das kann man sich bei dem Winzling gar nicht so recht vorstellen. Deshalb wurde die „Skjergar“ schon 1925 wieder verkauft und zwar nach Nordnorwegen an die Vesteraalens Dampskibsselskab (VDS).

Die VDS mit Firmensitz in Stokmarknes war eine der zahlreichen lokalen Reedereien, die den innernorwegischen Warenaustausch betrieben. Bis nach dem 2. Weltkrieg lief ein Großteil des Warenverkehrs über den Wasserweg. Erst ab den 60er Jahren wurde das Straßennetz Norwegens nachhaltig ausgebaut. Übrigens lautet auch heute noch in Norwegen die inoffizielle Bezeichnung der Hurtigrute „Reichsstraße Nr. 1“. Nebenbei bemerkt, die VDS war unter ihrem damaligen Direktor Richard With auch Gründungsreederei der Hurtigrute.

Boroysund Original 3

Die Schiffe der VDS trugen alle Namen, die einen Bezug zum nördlichen Norwegen hatten, wie z.B. „Vesteraalen“, „Lofoten“, „Hadsel“, „Finnmarken“ oder eben auch „Børøysund“.

Heimathafen war nun also Stokmarknes und benannt wurde das Schiff nach dem Sund zwischen Stokmarknes und der vorgelagerten Insel Børøya. Die „Børøysund“ wurde modernisiert und im Lokalverkehr im Bereich der Vesterålen und Lofoten eingesetzt. Im Jahre 1935 wurde das Schiff ein weiteres Mal modernisiert und bekam dabei – abgesehen von der damals noch offenen Brücke – das heutige Aussehen. Die Brücke wurde erst im Zuge der Überholungsarbeiten nach dem Krieg im Jahre 1948 in den heutigen Zustand gebracht. Bis 1955 war das Schiff im Liniendienst eingesetzt, von 1955 bis 1960 wurde es als Reserveschiff vorgehalten.

In 1960 erwarb die Berufsschule Hadsel das Schiff und setzte es unter dem Namen „Hyma“ als Ausbildungsschiff für angehende Maschinisten ein. Der Schiffsname ist übrigens eine Abkürzung: Hadsel Yrkesskole Maskinistaspirant Avdeling (Berufsschule Hadsel Maschinistenanwärter-Abteilung). Auch eine Methode, zu einem Schiffsnamen zu kommen… Allerdings wurde der Bedarf an Maschinisten mit Dampfer-Erfahrung immer geringer und schon Mitte der 60er Jahre hatte die Schule keine Verwendung mehr für das Schiff.

Zur gleichen Zeit hatte sich in Oslo eine Gruppe Leute zusammengefunden, die ein Stück norwegischer Küstenkultur erhalten wollten und den Norsk Veteranskibsklub (NVSK) gegründet hatten. Diese Gruppe erwarb das Schiff im Jahre 1968 für nkr 10.000,- und begann mit umfangreichen Restaurierungsarbeiten, um das Schiff wieder in den Zustand von 1935 zu bringen. Allerdings hat man sich entschlossen, die Brücke im geschlossenen Zustand zu belassen, sie bietet so einfach mehr Komfort. Von der damals noch existierenden Reederei VDS bekam der NVSK die Erlaubnis, die Schornsteinmarke sowie die Bugzier der VDS zu nutzen und dem Schiff wieder den Namen „Børøysund“ zu geben. Die – nie enden wollenden – Restaurierungsarbeiten wurden von der obersten norwegischen Denkmalbehörde, dem Riksantikvaren, schließlich mit der Unterschutzstellung des Schiffes gewürdigt.

Die „Børøysund“ ist 33,10 m lang, 5,50 m breit und hat einen Tiefgang von 3,60 m. Dabei ist sie mit BRZ 179,38 vermessen. Das Schiff wird von einer 3-Zylinder-dreifach-Expansionsmaschine mit einer Leistung von 210 PSi angetrieben und macht dabei eine maximale Fahrt von 9 kn, das entspricht rd. 16 km/h. Der erforderliche Dampf wird in einem Zylinderkessel mit zwei Feuern erzeugt. Der Kohleverbrauch liegt bei etwa 220 kg/h, die Bunker fassen 14,2 t Kohle. Die Anzahl der Passagiere, die heute mitgenommen werden dürfen, liegt bei 100 Personen, früher waren es – je nach Fahrtgebiet – zwischen 100 und 238 Personen, die mitgenommen werden konnten, wobei es bei 238 Personen schon ziemlich drängelig gewesen sein muss…

Weil das Original schon nicht sehr groß ist, fällt natürlich auch das Modell in 1:250 eher ein wenig kleiner aus. Trotzdem war ich mir mit dem Kontrollbauer schnell darüber einig, dass eine Brückeneinrichtung unbedingt erforderlich sei. Peter Brandt hatte es seinerzeit bei seiner Überarbeitung der „Stettin“ für den Verlag vorgemacht, auch wenn deren Brücke ein wenig geräumiger ausfällt. Bei seinem Probebau machte Fiete auch gleich einen ersten Versuch, die Fenster auszusticheln und nahm zum Verglasen die absolut durchsichtige Verpackungsfolie von Niederegger (so konnte er das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden… 😛  ). Dabei wurde ganz schnell klar – im wahrsten Sinne des Wortes – , dass auch das Kartenhaus irgendeine Art von Innenleben braucht. Nur angedeutet, aber immerhin; diese Folie ist wirklich extrem durchsichtig.

Am Dampf-Rundum im Jahre 2015 hat auch die „Børøysund“ wieder mal teilgenommen, sodass ich anlässlich einer Mitfahrt jede Menge Detailaufnahmen schießen konnte. Und damit begann der Endspurt meiner Konstruktion. Im Januar 2016 waren alle Teile fertig gezeichnet und die Bauanleitung anhand von Bildern meines Probebaues fertiggestellt.

Boroysund Original 4

Am 30.01.2016 war es soweit, der Bogen war – vorläufig – fertig und ich drückte Fiete die ersten Ausdrucke samt Bauanleitung und Teileliste in die Hand und damit begann der Kontrollbau dieses Modells. Die meisten kritischen Punkte hatten wir schon im Laufe der Konstruktion gemeinsam „ausgebügelt“. Aber es tauchten doch noch ein paar Kleinigkeiten auf, die jeweils über einen kurzen Gedankenaustausch bereinigt wurden.

Der Kontrollbau war am 01.03.2016 abgeschlossen, die Korrekturliste abgearbeitet und damit konnte die Datei über den Verlag an die Druckerei gehen.

Boroysund Original 5

1 Kommentar

  1. Peter

    Moin Andreas!
    Der Beitrag ist große Klasse.Das ist Balsam für die Seele nach so einem gruseligen Tag wie heute.Wie schön,daß man immer wieder dazu lernen kann!
    Schönes Wochenende und liebe Grüße
    Peter!

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